Mein Tagebuch/Wochenbuch
mit einer Immernacht, Handwerkern in der Wohnung, einem Workschopf, fleckigen Wolkenpartituren, einem Kinderbuchprojekt namens "wersolldasveröffentlichen", vielen kindlichen Geschichtengeschöpfen und Sarah Kirschs Poesiehügeln.
Dienstag, der 2.7.24 (Immernacht)
It’s always night or we wouldn’t need light, sagte Thelonius Monk einmal, und ich weiß schon nicht mehr wo ich das gefunden habe. Aber immer rein damit ins Tagebuch. Eigentlich ist immer Nacht. Die Immernacht mit ihren Taschenlampen, die mal an mal ausgeht. Auch die Sonne weiß Bescheid. Sie scheint in die sternenstarke Immernacht. Nur wenige ihrer Dämmerstrahlen treffen die Immernacht persönlich. Aber der Klang ihrer Gegenwart blüht kosmisch ins Licht hinein.
Mittwoch, der 3.7. 24 (Poesie)
Ein Gedicht zu schreiben kann stark machen. Über die Kraft der Poesie schrieb die Poetin Volha Hapeyeva aus Belarus sehr eindrücklich: „.. aber ich will vor allem sagen, dass das poetische Wort so unglaublich viel Potenzial und Elan hat. Einmal unterstützt es uns in unseren Kämpfen, ein anderes Mal heilt es uns und zeigt die Schönheit der Welt!“ [1] Mit diesem Zaubersatz im Gepäck schreibe ich heute meinen Blogartikel über das Schreiben mit Kids in Zeiten zunehmender Verunsicherung.
Donnerstag, der 4.7.24 (Hügelchen)
Seyn Seele hat ein Hügelchen, schrieb Sarah Kirsch in dem Gedicht: Ayn Wintrrstück, und vielleicht beschreibt dieser Vers mein Gefühl beim Aufwachen. Ich habe von G. geträumt, die den Kontakt zu mir wegen meiner „Haltung im Nahostkonflikt“ abgebrochen hat nach fast 40 Jahren Freundschaft. Hunderttausendmal aus meinem Lebenstext gelöscht. In den Leerstellen zieht es noch immer. Und nur, weil ich Empathie für beide Seiten ausdrücke! Inzwischen sitze ich an einem neuen riskanten (Wersolldasveröffentlichen.) Kinderbuchprojekt. Es ist ein realistisches Kinderbuch, das u.a. die aktuelle Situation aufgreift und deren Auswirkungen auf Kindheit in Deutschland erzählt. Ich schreibe dazu gerade die Leseprobe.
(Verlag habe ich noch nicht. Bei Interesse bei Susanne Koppe melden.)
Freitag, der 5.7.24 (Herd)
Fleckige Wolkenpartitur, von Spatzen verklanglicht. Hinterhofmorgen. Workschopf. Arbeitsvolumen immens. Texte hier, texte da. Und gleich wieder Handwerker in der Wohnung. Neuer Herd. Gestern Elektrik. Neues Warmwassersystem. Montag Elektrik. Neue Leitungen mit Starkstrom. Gas forever weg. Später auch noch Bohrungen in meinem Mund.
Samstag, der 7.7. 24 (doppeltgemoppelt)
Bei Workshops habe ich nun immer Celina Bostics „Doppelmoppel“ im Gepäck. Ich stelle mich damit den Kindern, wenn sie fragen, wo ich herkomme, was immer passiert, da ich meinen Sprachkoffer immer auspacke. „Ich bin nicht halb dies/ ich bin nicht halb das/ ich bin doppelt“, sage ich und schildere my mixed identity. Zu mir gehören zwei Länder, zwei Religionen und zwei Sprachen. Möglicherweise ist das die Tür zu den Texten, zu dem was an Ängsten und Sorgen auf das Blatt fließt. „es bedrückt mich sehr/ die welt /soll sich verändern
Sonntag, 8.7.24 (Regen)
Misserfolge gibt’s auch immer wieder. „Der Regen bin ich/ in grünseidenen Schuhn/ gehe ich / über die Erde“, heißt das erste Gedicht von Sarah Kirsch, das ich gelesen haben. Heute Nacht träumte ich, dass ich einer christlichen Auftraggeberin bei einer Veranstaltung begegnet bin. Sie hatte mich für eine Geschichte angefragt, wegen der Alle-Kinder-Bibel sei sie auf mich gekommen, auf meine Rückfrage wann diese fertig sein müsse, nie wieder geantwortet. Ich erfuhr dann durch eine Vorschau, dass sie sich für eine andere weiße Autorin entschieden haben. Die Illustratorin der Alle-Kinder-Bibel wurde aber übernommen. Auf der Traumveranstaltung ging die christliche Auftraggeberin mir aus dem Weg, machte plötzlich auf Angst und meinte ich wäre gefährlich. Nun ja, nicht dass ich sowas nicht in Wirklichkeit schon mit weißen Frauen erlebt hätte. Der Traum sagt mir: Diese Enttäuschung nagt weiterhin an mir, aber „bevor ich stürze bin ich weiter“ (Sarah Kirsch).
Montagsgedicht für den 9.7.24
Wortgebüsche
brüchige Immer -Verstecke im
Braun der Tage
[1] Volha Hapeveya: Die Verteidigung der Poesie in Zeiten des dauernden Exils. Verbrecher Verlag 2022
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