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"das wort ist ein geschichtenbüro" erik, 4

AutorenbildAndrea Karimé

Feministisch schreiben im Kinderbuch?

Aktualisiert: 21. Apr.

"Lass den Kindern doch ihre Kindheit!" Doch welchen Kindern welche Kindheit? frage ich.

Kinderbuch und feministisch schreiben? Muss das jetzt auch noch sein? Lass den Kindern doch ihre Kindheit, höre ich immer doch das Echo einer erfolgreichen Kollegin auf einem Panel. Ach, ja, da würde ich gern mitträumen, in Habibti-Traumlaune geraten. Wie auf

dem feministischen Kongress

vor 20 Jahren. (Foto)



Aber leider drängt sich mir immer wieder dieselbe Frage auf: Welchen Kindern welche Kindheit? Und das werde ich nicht müde zu fragen. Das wisst ihr doch! Und schon ist Schluss mit Traumlaune und ich erzähle Kinder, wie ich sie vor mir sehe. Damit mache ich unterschiedliche Erfahrungen.

Mädchen im Kinderbuch

Wenn alle Kinderbuchautor*innen auf die „Gesetze“ des Marktes hören würden, hätten wir bald keine Mädchen mehr als Hauptfiguren im Kinderbuch. Warum?


Lehrer neulich so:

„Nein, bitte nehmen sie ein anderes Buch für Ihre Lesung. Ich hab so viele Jungen in der Klasse, und die lesen keine Bücher in denen Mädchen Held*innen sind!“


Kein Einzelfall. (Ja, ist doch so, denken jetzt welche!)

Er meinte dieses Buch, in dem auch noch ein toller Junge vorkommt, nur eben nicht auf dem Cover.

Was bin ich froh, dass Emilia Roig dafür Worte hat:

„Mädchen lernen früh lernen früh, die Welt aus der Perspektive der Jungen zu betrachten, weil Kinderbücher, Trickfilme, Fernsehen und Werbung überwiegend aus ihrer Perspektive erzählt sind. Jungs nicht!“ (Emilia Roig: Why we matter)


Jungs entwickeln oder festigen auf diese Weise ihre Empathielücke für Mädchen. Die Kinderliteratur, -wir Kinderbuchautor*innen- trägt also auch dazu bei, dass uns die Empathielücke der Jungs erhalten bleibt und Mädchen weiter abgewertet werden. Zugunsten angeblicher Verkäuflichkeit und Leseförderung.

Mädchen immer als Nebenfigur zu installieren, hält die Verhältnisse genauso aufrecht wie immer nur Nebenfiguren of Color, im Rolli, ect. zu benennen. Marginalisierte (Mädchen-)Figuren als Deko. Bunt. Guck mal wir hamm doch Diversity. Sind doch Mädchen drin.

Allein deshalb ist es notwendig, genauso viel starke differenzierte Mädchenfiguren und nonbinäre Figuren als Hauptcharaktere zu erfinden, wie Jungsfiguren.


Ich erlaube mir Emilia Roigs Gedanken noch einmal zu kopieren und nur die Protagonist*innen zu wechseln, um meinen nächsten Punkt zu verdeutlichen: Kids of Color lernen früh lernen früh, die Welt aus der Perspektive der weißen Kinder zu betrachten, weil Kinderbücher, Trickfilme, Fernsehen und Werbung überwiegend aus ihrer Perspektive erzählt sind. Weiße Kinder nicht. Kinder mit Behinderungen früh, die Welt aus der Perspektive nichtbehinderter Kinder zu betrachten, weil Kinderbücher, Trickfilme, Fernsehen und Werbung überwiegend aus ihrer Perspektive erzählt sind. Nichtbehinderte Kinder nicht.


Welcher Feminismus ist gemeint?

Den Feminismus sehe ich nie alleinstehend. Eine weiße Kollegin lud mich vor einiger Zeit zu einer feministischen Anthologie für Jugendliche ein.

Ich so: „Bin ich die einzige Person of Color?“

Kollegin so: „Darum geht doch bei diesem Projekt doch gar nicht!“

Oh doch darum geht’s. Mir geht’s darum. Es geht für mich immer darum vielstimmige Anthologien/Literatur zu machen. Und wenn eine feministische Anthologie herausgegeben wird, ohne die Intersektionen, also Kreuzungen von Diskriminierungen mitzudenken, bin ich raus. Warum das so wichtig ist, beschreibt Emilia Roig sehr ausführlich und spannend in ihrem Buch.


Exklusionsgewohnheiten beim Kinderbuchschreiben

Ich bin zwar eine Frau, aber keine weiße, das bringt andere „weibliche“ Erfahrungen mit sich. Einen anderen Blick auf Kindheit. Und ich war ein Mädchen of Color. Und das bringt andere Kindheitserfahrungen mit sich. Mir geht’s nicht um Ranking sondern um Vielstimmigkeit/ Gerechtigkeit. Emilia Roigs Gedanke lässt sich mühelos mit allen marginalisierten Gruppen durchspielen und wir erkennen wo unsere Empathielücken/Exklusionsgewohnheiten sind.


Deshalb sind mir auch Kinderbuchfiguren mit vielschichtigen Erfahrungen wichtig, wie etwa das Antennenkind, oder Lama in „Sterne im Kopf und ein unglaublicher Plan“. Insbesondere am Antennenkind scheiden sich die Geister. Ein Kind mit Libanonbezug ist hochsensibel. Ist das nicht ein Thema zu viel? Ich frage zurück: Von wo aus gesehen? Und ist Deutschdeutschsein nicht auch sonst immer dabei? Es wird nicht benannt, aber es ist subtil immer dabei. Und natürlich ist es trotzdem kein "Problembuch"! Wer mich kennt, weiß: Das steht mir fern!

Aber leider drängt sich mir immer wieder dieselbe Frage auf: Welchen Kindern welche Kindheit? Und das werde ich nicht müde zu fragen. Das wisst ihr doch! 

Im deutschen Kinderbuch heißen solche Verbindungen aus Exklusionsgewohnheit übrigens gern: „Überfrachtet!“

Oder eben: „Darum-geht’s -doch-bei-diesem Projekt nicht!


Nochmal: Doch! Es kann immer um vieles gehen! Für viele Kinder.

Deshalb finde ich die Frage nach dem Feminismus auch sehr vielschichtig. Viel-schichtigen-Dank fürs Lesen!



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