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"das wort ist ein geschichtenbüro" erik, 4

AutorenbildAndrea Karimé

Ein Flier, ein Flier. tagebuchstaben 51

tagebuch, wochenbuch, tagebuchstaben

Diesmal mit der Schwebe des Dezembers, einer federnden Dohle, Weihnachtsvorbereitungen, Übergebungen, einem Austausch mit der Uni Tunis, Tulipanas und Tulpen und dem Montagsgedicht.


Dienstag, der 10.12.24

Ein Gesicht direkt in die Kamera. Hintergrund: Grün zugverwischte Landschaft.
Sollte eigentlich ein 12 von 12 werden, aber ein Magenkollaps zwang mich in die Knie. Hier sitze ich im Zug nach Schwäbisch Gmünd.

Leger poesieas. Gedichte lesen, schreibt Leta Semadeni, die Graubündner Dichterin, Leg/ das Herz/ in die Lücke// Spring/ ohne Netz/ auf die nächste/ Zeile: lese gerade viele Gedichte, lass mein Herz in der Lücke, da wo es leicht wird. In der Schwebe vielleicht auch. Weg von den Eindeutigkeiten hinein in Geheimnisse und Wortleuchten. Hinein auch etwa in Leta Semadenis schmalen zweisprachigen Band „Tulpen/ Tulipanas“. Auf Deutsch und Valader, einem bündnerromanischen Idiom. Im Januar werde ich noch einmal in dieser herrlichen Region sein, für ein paar Tage. Ich liebe mehrsprachige Gegenden.


Ein Tisch mit einer Buchausstellung. Im Hintergrund auf eine Wand projiziert: Ein Hund mit Flügeln in Wölkchen.
Meine Lesung an der PH Schwäbisch Gmünd.

Mittwoch, der 11.12.24

Ich habe manchmal Heimweh/ ich weiß nur nicht wonach/ schrieb Mascha Kaléko. Und das trifft mein Grundgefühl dieser Tage. Wetterspucke durchtropfte, etwas Blau flackert. Und Buchstaben. Ich reise nach Schwäbisch Gmünd. Professorin Nazli Hodaie hat dort ein Austauschprojekt mit der Uni in Tunis vorbereitet: Postmigration und Empowerment (PoEm). Diversitätssensible Kinder- und Jugendliteratur in deutsch-tunesischer Perspektive. Ich werde dort aus meinen Büchern lesen und auf dem Panel diskutieren und viele Germanist*innen aus Tunis treffen. Meine letzte Reise 2024.

Ein Eisenstuhl in einer Bahnhofshalle.
Bahnhof-Warten-Bild Schwäbisch Gmünd

Donnerstag, 12.12.24

Dieser Tag hat sich beinahe aus meiner Woche ausradiert. Nachdem ich mich die halbe Nacht davor und im Zug von Schwäbisch Gmünd nach Hause mehrfach übergeben habe, bin ich heute gefühlt nicht anwesend. Eine Freundin bringt Salzstangen und helle Brötchen vorbei, aber noch immer hab ich Angst was zu essen.


Freitag, der 13.12.24

Noch immer ist das Essen ein Wagnis. Aber langsam kommt der Kreis zurückgelaufen. Ganz langsam. Und Haferbrei geht allemal. Aber viel mehr als Glotze is noch nicht. Paar Tagebuchstaben.


Samstag, der 14.12.24

Mir gehts besser. Suche Wörter für den seltsamen Dezember, in dem Assad gestürzt wurde. Kaufe Weihnachtsgegenstände. Vorbereite das Essen, das ich heute noch nicht essen würde. Bestelle alle Lyrikbände von Rose Ausländer, die mir noch fehlen, gebraucht. Jetzt Rose Ausländer lesen. Mutterland Wort. Sprache ist Trost und Heimat 4 ever. Grau wellt sich Himmel, Dohle federt auf dem Gegenüberdach auf und ab.


Sonntag, der 15.12.2024

Dritter Advent. Auch ich habe einen Kalender zum Lesen und 4 Kerzen. Weil es den Dezember so verschönt. Die Aussicht auf Weihnachten mit Familie und Freund*innen ist freudig. Doch ein Kerzentier ist traurig. Es hat die Traurigkeit der Welt geschmeckt.

 

Montag, der 16.12.24


Dezemberflier


Was bloß singen

dem traurigen Kerzentier?


Was spielen auf dem

Dezemberklavier?


Ein Flier? Ein Flier.




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