Meine Woche mit einem Teddy im Frack, Hoffnungskörnern, Lichtmilch, einem Lyrik-Spaziergang mit freundlichen herzvollen Kolleg*innen und dem denkenden Herz von Etty Hillesum.
Tagebuchstaben.
Dienstag, der 20.8.24 (Mau)
Die Woche hat mit Mau angefangen, und wie Sau. Und mit Bildern von Nazis, die ungehindert Schlimmstes öffentlich äußern dürfen, während Palästinenser*innen von Polizei verprügelt werden. Ich weiß nicht, ob da noch ein Hoffnungskörnchen zu picken gibt? Na klar, sagt mein Held Levi, der Kuschvogel findet immer ein Hoffnungskorn. Mal heißt es Stern am Nachthimmel, mal heißt es samtweiche Hand von Saba, mal heißt es Teddy im Frack.
Mittwoch, der 21.8.24 (Verse)
Ich schreibe eine Bilderbuchgeschichte, die schon lange in meinem Computer wohnt, in einer zweiten Version. Die eine ist in Versen, aber weil Deutschland Versgeschichten meistens nicht verstehen möchte entsteht jetzt noch eine zweite in Nichtversen. So mache ich das, während der Tag eine Lichtmilch aus Aprikose, Zitrone und Wolkenayran in mein Zimmer schüttet. Sie sucht sich einen Weg, tappt auf Buchstaben in meine Geschichte. Und wieder raus, denn da sind Schneeflocken drin. Aber aus Ayran.
Donnerstag, der 22.8.24 (Herz)
Wasser Sonne Stiftbewegung. Ferien? Am Meer? Nein. Zuhause schreiben. Heft auf den Knien. Wasserflasche in der Hand. Die Sonne: „schüschtonn“ wie der Himmel, der gerade eine Wolke ausatmet. In die Linien drängt Etty Hillesum. Das denkende Herz. Wie unglaublich treffend ist dieses Bild für die aktuelle menschliche Herausforderung. Traurig-schönes Feature über sie, die es ablehnt zu hassen. Kurz bevor sie 1943 ermordet wurde, von denen die Hass zum Lebensinhalt für sich auserkoren haben. Ich bestelle die Biografie. Die Tagebücher „Das denkende Herz“ wohnen schon lange in meinen Regalen.
Freitag, der 23.8.24 (Sprache)
Wie fühlen sich Kinder, die in Deutschland nicht willkommen sind, deren Heimatländer aber in Flammen aufgehen? Das ist mein Schreibprojekt. Und zwar mit Poesie. „Für die Poesie gibt es keine kleinen Dinge. Und es ist immer Zeit für die Poesie, wie es auch immer Zeit für die Liebe ist. Ich denke, es ist das wirksamste Mittel des Widerstands“, schreibt Volha Hapeyeva in die Verteidigung der Poesie in Zeiten des dauernden Exils. Es sind kleinen Dinge, die die Poesie hervorhebt und die zentralen Dinge für meine Heldinnen sind. Der Käfer auf der Coladose und die Schneeflocke, die auf der warmen Hand verschwindet. Zentrale Bestandteile, Orte ihrer brüchigen Welt.
Samstag, 24.8.24 (verroht)
Alles, was du berührst,/ veränderst du./Alles, was du veränderst, /verändert dich. (Octavia Butler. Die Parabel vom Sämann)
Verstörende Lektüre. Parabel vom Sämann, während Hühnersuppengeruch unter spuckigem Himmel durchs Fenster kommt. Vom Töten in Extremsituationen schreibt sie. Eine Dystopie. Ich denke an mein Bedürfnis nach Gewaltfreiheit. Werden Verrohungen ggf. auch vor mir nicht Halt machen? (Das Rechtschreibprogramm möchte Verrohrungen schreiben.)
Sonntag, der 25.8.24 (Wort)
Jedes Wort, dass du sagst, hat Auswirkungen. Klar, du kannst dich entschuldigen, sollte es mal falsch sein, das Wort, aber zurücknehmen kannst du es nicht. Es ist in der Welt. Deshalb ist die Sache mit der Goldwaage/Zungenwaage wichtig. Aber natürlich „passiert“ jedem mal ein falsches Wort. Das ist menschlich. Entbindet uns aber nicht von der Verantwortung. Eine falsche Behauptung etwa richtet Schaden an, auch wenn du sie am Ende selbst dementierst. Sie ist in der Welt. Und sie wird sich weiterbewegen, Schaden anrichten. Das passiert. Und dennoch oder deshalb müssen wir uns bemühen, diesen gering zu halten, Worte sorgsam auswählen. Warum denke ich darüber nach? Social-Media trägt dazu bei, dass immer weniger überlegt wird und immer mehr in der Welt ist, was da nicht sein sollte. Tagebuchstaben.
26.8.24 (Montagsgedicht)
Dieses Gedicht
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es hellt und bellt
ist felliges Licht
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